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Wie geht’s im Alltag? – Bestandsaufnahme im Frühjahr 2019

Das werde ich ja oft gefragt. Im Allgemeinen: gut! Ich kann alles machen: Nach sieben Monaten im Rekonvaleszenzmodell bin ich jetzt wieder ganz im Arbeitsprozess drin. Die aufbauenden Schritte haben mich immer wieder Mut gekostet, ich habe immer wieder die belastende Diskussion „Schaffe ich das?“ mit mir geführt. Es hat geklappt und ich bin sehr stolz darauf, diese Monate ohne Einschränkungen gut hinbekommen zu haben.

Einschränkungen in der Bewegung gibt es, aber man sieht sie nicht.

Ich versuche, mich beim Tragen schwerer Sachen und schwererer Arbeit, z.B. im Garten, heraus zu halten – und hoffe, dass ich da bald wieder mittun kann. Hier fehlen mir noch Kraft und Koordination und ich bin in Gefahr, mir durch verkehrte Bewegungen Schmerzen einzuhandeln.

Endlich macht mir Fahrrad fahren wieder Spaß! Ich war in Sorge, denn ich bin mein Leben lang auf dem Fahrrad gesessen – dass das wegen Nackenschmerzen nicht mehr möglich sein könnte. Aber es liegt wirklich am Aufbau der Stützmuskulatur einerseits, aber auch an der feinen Koordination vieler Gleichzeitigkeiten, die ich jetzt wieder leisten kann. Bis vor ein paar Wochen hat mich das Radfahren richtig gestresst, kaum zu glauben!

Meine Balance ist wieder viel besser geworden. Das merke ich an vielen Übergängen in der Bewegung, zum Beispiel auf Treppen oder auf schwierigeren Passagen beim Wandern. Das liegt an der wieder gewonnenen Stabilität im Rumpf, die mir über die lange Zeit der Lähmung verloren gegangen war.

Ich kann wieder eine Weile von Hand schnell schreiben. Dann ist es aber schlagartig vorbei, ich muss den Stift weglegen, es geht nicht mehr. Am nächsten Tag spüre ich die Anstrengung noch! Feine Aufgaben mit der rechten Hand zu erledigen, ist noch eine Herausforderung. Meine linke Hand hat sehr profitiert, sie kann sicher mehr als vor zwei Jahren. Aber so soll das nicht bleiben. Also: Dranbleiben!  Mein Handgelenk darf noch flexibler und kräftiger werden. Die Muskulatur des rechten Armes auch.

Im warmen Wasser (Therme – mmmh!) schwimme ich wieder mit fast dem alten Gefühl der maximalen Streckung. Das heißt, unter günstigen Bedingungen bekomme ich eine endgradige Streckung im Schultergelenk hin. Ich bin gespannt, wie es im Sommer im Freibad wird …

Immer wieder gibt es kleine Veränderungen und es schließen sich Kreise. Das ist eine große Freude. Aber es ist noch nicht fertig! Ich muss unter den „neuen“ Bedingungen des Alltags schauen, dass die Bewegung, Therapie und Training nicht zu kurz kommen.

Schneeschuhwandern im Trentino

Eine Woche im Trentino – Schneeschuhwandern mit einer Gruppe des DAV-Summit-Club. Ein ganz besonderes Schneegefühl, es ist ganz still. Im Gänsemarsch dem Bergführer hinterher zu schlurfen ergibt einen schönen Rhythmus und macht den Kopf frei. Es wird nicht viel geredet und die Bergwelt strahlt in der Sonne. Dazu nette Menschen, ein kleines Hotel mit Sauna und köstliches Essen – eine herrliche Winterwoche!

Störfaktoren

Diesem Aspekt möchte ich nicht viel Platz einräumen. Jeder kennt zigtausend Stolpersteine, die die Sicht nehmen und den Blick nach vorne hemmen. Ich auch und ich durfte sie auch durchleben …

Das Gefühl, das Leben saust an dir vorbei, alle lachen, nur du nicht.

Sich mit negativen Inhalten auseinandersetzen müssen: Dein Arbeitgeber will dich pensionieren.  Deine finanzielle Situation könnte ganz aus dem Ruder laufen. Deine sowieso miese Lage wird von „Außen“ beurteilt und bewertet. Du fühlst dich als Bittstellerin.

Die Veränderung von Beziehungen:  Du merkst, es gibt Menschen, die mit deinen Veränderungen nicht zurechtkommen.  Es gibt Verunsicherungen, unpassende Fragen, Mitleid, die gemeinsame Sprache funktioniert nicht mehr.

Über die Haltung zur eigenen Heilung: Agentin der eigenen Gesundheit

Vor vielen Monaten – Unfall und Nervenverletzung liegen beinahe zwei Jahre zurück – bat mich Dr. Mosetter, der Begründer der Myoreflextherapie, um einen Beitrag über meine Haltung zur eigenen Heilung.

Nun kann ich darüber sprechen. Meine Heilung ist weit fortgeschritten. Die Innervierung meines verletzten Nervs ist noch in Bewegung. Meine Schulter ist deutlich zentrierter im Schultergelenk, spürbar bei allen Bewegungen. Meine Schulterblätter arbeiten symmetrischer. Es darf gerne noch weitergehen. Doch fühlen sich Bewegungen „normaler“ und alltagstauglicher an.

Ich verstehe auf allen Ebenen, was ich hinter mir habe. Das war ein existentiell bedrohliches Ereignis. Schock, Schmerz, Angst, Schlaflosigkeit. Aus dem Leben katapultiert sein. Die eigene Aktivität auf ein Minimum reduziert. Auf Hilfe angewiesen. Sorge um die Zukunft. Leben ohne Beruf. Das Gefühl des eigenen Verschwindens war immer wieder sehr stark. Wer bin ich noch, wenn ich nichts mehr bewegen kann?

In meiner beruflichen Tätigkeit als Lehrerin für Kinder und Jugendliche mit schwersten Mehrfachbehinderungen stand der Begriff der „Selbstwirksamkeit“ an zentraler Stelle. Plötzlich musste ich nach meiner eigenen Selbstwirksamkeit fragen.

Gott sei Dank, es ist nicht so geblieben. Ich hätte meine Hand, meinen Beruf verlieren können. Ich könnte jetzt noch sehr bewegungseingeschränkt sein. Ich hätte meine Lebensenergie verlieren können.

Ich bin ein sehr glücklicher Mensch.

Was hat geholfen?

Menschen, die mit mir waren. Die meine größte Verzweiflung mitgetragen haben. Die mal mehr, mal weniger Worte gemacht haben. Die an mich geglaubt haben, wenn mir das nicht gelungen ist.

Mein frühes Mantra nach den Geschehnissen: Die Welt ist groß, du wirst einen neuen Platz finden, du wirst andere Dinge finden, die Spaß machen, auch wenn du sie noch nicht kennst. Die Welt ist groß und sie mag dich, sie lässt dich nicht allein.

Die Geschichte von Lindsey Vonn, der US-Skirennläuferin, die nach derselben Nervenverletzung durch Therapie wieder in den Profisport zurückfand.

Menschen, die viel Alltagskram übernommen haben und sich ihre Sorge um mich nicht haben anmerken lassen.

Meine Ärzte, auf die ich mich so sehr verlassen konnte.

Mein Interesse, Wissen und Vertrauen in die Welt der Therapie. Ich fand so eine Mannschaft von hochqualifizierten Helfern in ihren jeweiligen Disziplinen. Aber aufgepasst: Das Auffinden dieser „Mannschaft“ hat sich nicht einfach so ereignet. Ich habe mich leiten lassen, es brauchte dafür viel Spürsinn, Fragen und Gespräche und das Internet glühte zuweilen!

Es ist noch nicht vorbei. Die Rückkehr in die Normalität steht an.

Über Grenzen gehen

Ein besonderer Tag war die Wanderung zur „Portella Blanca“, denn dort überschreitet man auf 2517 m die Grenze zwischen Frankreich, Andorra und Spanien. In Spanien wurden wir netterweise zuerst von den wilden Kühen, dann von Gewitter empfangen. Dem Gießkannenregen am Abend sind wir gerade noch entronnen, das Taxi kam zum richtigen Moment.

Der Chemin des Bonshommes

Umwerfend ist die wilde Natur der Pyrenäen, vor allem in den Höhen über 2000 Metern. Man trifft nur selten auf andere Wanderer, manchmal auf Familien mit Esel und Kindern. Öfters trifft man Kühe. Meist ging alles gut, einmal wurden wir von einer 40-hörnigen verrückt gewordenen Herde verfolgt, das war nicht so lustig. Große und kleine Stiere sitzen immer wieder am Wegesrand …

Ich hatte viel darüber nachgedacht, ob es mit dem Tragen des Rucksacks gut geht. Mit Wasser und Essen hatte ich auch ca. 7 Kilo. Es klappte prima!

Über die Pyrenäen nach Spanien

So lange hatte ich jeden Tag über diese Aufgabe nachgedacht, fast hätte ich mich nicht getraut, die Reise zu buchen. Mein Mann und ich haben die „Komfortvariante“ gewählt, geplant von einer französischen Agentur, und uns die Fernwanderung „Le Chemin des Bonshommes“ mit Gepäcktransport und Doppelzimmer-Übernachtung geleistet. Alles Weitere macht immer noch genug Arbeit! Ich habe wirklich trainiert, so groß war mein Respekt vor der Tour. Tagesetappen von bis zu 24 km und täglich ca. 1000 Höhenmeter hoch und genauso viel wieder runter!

Sommer 2018: Herausforderungen

Eineinhalb Jahre nach dem Unfall: Was hat sich über den Sommer getan?

Eine spannungsreiche Etappe zog sich über einige Monate hin: Die Frage meines Wiedereinstieges in den Beruf. Das entscheide nicht einfach ich. Es besteht ja bei Lehrerinnen die berechtigte Frage, ob sie die Aufsichtspflicht wahren können, bestimmte Voraussetzungen im Zusammenhang mit körperlicher Fitness und Durchhaltevermögen müssen erfüllt sein. Es waren verschiedene Instanzen im komplizierten Spiel beteiligt, meine Diskretion erlaubt, zu verraten, dass ich auch einen Anwalt beschäftigt habe. Die Kommunikation mit dem Arbeitgeber war nicht immer gelungen, Kontakt zu empathiefreien Personen gab es auch … Aber ich hatte auch stabilen Rückhalt, zum Glück!

Über längere Zeit war unklar, wann ich beginnen sollte, im Juli oder doch mit dem neuen Schuljahr nach den Sommerferien? Und plötzlich lag der Juli „leer“ vor mir – kurzfristig erfuhr ich, dass mein Arbeitsbeginn im September sein sollte.

Dringend brauchte ich eine Herausforderung, ich wollte es wissen: Die Bestätigung meiner „Alltagstauglichkeit“. Ich bin deshalb alleine nach Italien gefahren, eine Woche Intensiv-Sprachkurs. Habe allein meinen Koffer durch den Zug gewuchtet, mich alleine – auf Italienisch! nach Verspätungen auf Bahnhöfen zurechtgefunden.

Ich hatte ja über die gesamte Zeit meiner Beeinträchtigung Unterstützung gebraucht, solche Aktionen waren und wären zuvor nicht denkbar gewesen. Ich orientierte mich an der Schule, in dem kleinen italienischen Ort, unter den MitschülerInnen – die sechs Tage waren randvoll mit Sprachkurs, Kochkurs, Lernen …

Es hat alles prima geklappt! Und wo war es am schönsten? Auf der Piazza, auf der Terrasse der Bar vor der Schule! Wer sich für eine Sprachreise nach Italien interessiert: Ich kann die „Scuola Palazzo Malvisi“ in Bagno di Romagna wärmstens empfehlen!

Die körperliche Herausforderung erwartete mich im August: Die Überquerung der Pyrenäen von Frankreich nach Spanien auf dem „Chemin des Bonshommes“. Diesen fantastischen Wanderweg bin ich in einer Woche mit meinem Mann gegangen: Sieben Etappen, 125 km, 6000 Höhenmeter. Ich habe einige Monate richtig auf dieses Ereignis hintrainiert, habe alle Höhenmeter meiner Mittelgebirgsumgebung mitgenommen und bin immer wieder den Schlossberg meiner kleinen Stadt hoch marschiert.

Seit September arbeite ich wieder an der Schule mit einem Rekonvaleszenzmodell: Zu Beginn wenige Stunden, über die Zeit aufbauend, bis ich im März 2019 wieder bei meinem Deputat angekommen bin. So kann ich meine Belange auf therapeutischer Ebene noch gut erfüllen und hoffe, dass es immer besser wird.

Ich werde gefragt, ob jetzt alles wieder gut sei. Ich trage zurzeit kein Tape. Man sieht es mir nicht an, aber es ist noch „Luft nach oben“. Auf die Hand bezogen sind noch nicht alle Bewegungen möglich, die Feinmotorik ist noch nicht so toll (schreiben, schneiden geht, ganz feine Arbeiten sind zu fummelig), die Ausdauer lässt zu wünschen übrig, das Handgelenk schmerzt und ich ermüde.

Meine eingeschränkte Schulterbewegung verändert die Statik im gesamten Körper und ich habe zu tun, dass es jetzt nicht zu Haltungsschäden und Folgeproblemen im Bereich der Brustwirbelsäule und an der Hüfte kommt. Es hat halt immer alles mit allem zu tun!