Monate: Juni 2017

Jeder Schritt bewegt sich auf die Heilung zu

Einige 1000 Schritte durch die Bretagne später (war das schön!), checkte ich direkt in Günzburg ein. Alle Vorbereitungen dort gingen in Richtung Nerventransplantation. Das heißt, weil mein Nervus radialis keinerlei Anzeichen von Regeneration gezeigt hatte und die neurologischen Verlaufsmessungen insgesamt eine schlechte Prognose vermuten ließen, ging man davon aus, dass er an einer Stelle eventuell durchbrochen war oder es zu einer größeren Gewebeschädigung gekommen war. Nerventransplantation bedeutet (sehr vereinfacht), man verbindet die durchtrennten Nervenenden mit körpereigenem Nervenmaterial, das aus dem Unterschenkel entnommen wird (man hat zwei OP-Gebiete). Der wiederhergestellte durchgängige Nerv bildet eine „Rinne“ für den nachwachsenden Nerv. Ein Nerv wächst durchschnittlich 1 mm pro Tag. Für die Transplantations-OPs gibt es keine Garantie. Ob die OP gelungen ist, weiß man erst nach vollendetem Wachstum. In meinem Fall hätte das ungefähr zwei Jahre gedauert. Ein Gefühl wie bei Kafka. Am OP-Tag waren Professor Antoniadis und Dr. Brand morgens bei mir: „Nach der OP sprechen wir darüber, was wir gemacht haben“. Noch nie war ich in einer derart offenen Situation, wie im freien Fall. Mental eine sehr …

Früh auf dem Meer

Der bretonische Küstenwanderweg bot genau die richtige Herausforderung. Das Meer war nicht wild, aber es gab mir jeden Tag das Bild von Größe und Unermesslichkeit. Wir haben die Gelegenheit ergriffen, mit unserem Vermieter frühmorgens bei Dunkelheit zum Fischen zu gehen. Auf dem dunklen, wackeligen Meer, mit nur einer Hand, auf einem eher kleinen Motorboot, kalt. Mir wurde kein bisschen schlecht, ich hatte keinen Moment Angst.

Bald ist die OP!

In Chartres habe ich eine Mail von Professor Antoniadis erhalten: Die neurochirurgische Operation soll am 20. Juni sein. Das bedeutet, dass unser Urlaub zehn Tage lang ist (ich hatte auf eine längere Dauer gepokert), wir sonntags heimkommen, ich montags in die Klinik gehe und am Dienstag operiert werde. Die Kathedrale von Chartres hatte eine tiefe Wirkung auf mich. Dieses Gebäude ist so alt, es ist ein komplettes Bauwerk der Hochgotik, es ist nie zerstört worden und vermittelt eine außergewöhnliche Atmosphäre. Es war wunderschön in der Bretagne, herrlichstes Wetter, warm, und sehr lange Tage.

In Paimpol

Wir entschieden uns für die Bretagne und mieteten ein Haus am Meer in der Nord-Bretagne bei Paimpol. Am besten: Der Vermieter bietet Kontakt zu einem Masseur an. Ich machte mir nämlich Sorgen, wie es ist, wenn ich fast zwei Wochen keine Therapie habe. Die Strecke dahin ist zwar weit, aber wir fuhren mit dem Auto mit einer Zwischenübernachtung in Chartres. Unterwegs sein ist so toll, es ist eine herrliche Ablenkung.

Urlaub in der Bretagne

Es war so klar: Wir wollen unbedingt weg fahren, bald sind Pfingstferien. Was ist möglich? Was macht Spaß? Mein Kopf beschäftigt sich sehr gerne mit Reisethemen, Bilder von einem wilden Meer ziehen mich an. Cornwall wäre toll, der Küstenwanderweg. Aber ich sehe, der Weg ist schmal, steil, da sind die Klippen. Nein, das ist es nicht. Sonst irgendwo in Südengland?  

Die Zeit verstrich, die Schulter heilte, die Hand blieb. Alltag, Trauer und Hoffnung

In den vier Monaten nach dem Unfall war ich viermal beim Neurologen, jedes Mal mit niederschmetternden Ergebnis. Der Nervus Radialis konnte nicht aufgespürt werden, er zeigte keine Aktivität. Deshalb konnte auch in den vom Nervus radialis innervierten Muskeln keine Aktivität gemessen werden. Zehn Wochen nach dem Unfall kam die Vermutung einer größeren axonalen Schädigung auf. Anstatt des Hauchs einer Besserung verschlechterte sich die Diagnose drastisch. Diese Termine waren sehr schwer. Sie dauerten nicht lange, hatten aber jeweils eine große Wirkung auf mich. Der erste geplante neurochirurgische OP-Termin im Mai wurde verschoben, gepaart mit meiner Hoffnung, um diese OP herumzukommen. Wir sind in die Bretagne gefahren. Bilder von einem wilden Meer zogen mich an. Kein Meer, in das ich springen möchte, ich kann es ja nicht. Keine Berge, auf die ich steigen möchte, ich wäre unglücklich, weil ich es nicht schaffe. Aber es gibt einen wunderschönen Küstenwanderweg. Unterwegs, in Chartres, erhielt ich eine E-Mail von Professor Antoniadis: Er empfahl mir dringend die neurochirurgische Operation am 20. Juni. Was bei der Operation gemacht wird, weiß noch niemand. …