Jahr: 2017

Traumatische und iatrogene Läsionen peripherer Nerven

Nervenverletzungen, die bei Unfällen oder auch bei operativen Eingriffen auftreten, müssen rechtzeitig diagnostiziert werden. Die behandelnden Ärzte müssen die Patienten engmaschig kontrollieren und entsprechend den erhobenen Befunden die adäquate Therapie einleiten. Die Nervenverletzungen werden entsprechend der Schädigung der Nervenstrukturen in fünf Graden eingeteilt. Patienten mit einem Schaden Grad 1 bis 3 haben die beste Prognose, da sich die Lähmungen und Sensibilitätsstörungen durch eine intensive physiotherapeutische und ergotherapeutische Behandlung zurückbilden. Bei Schäden Grad 4 und 5 muss eine operative Behandlung mit einer Rekonstruktion des geschädigten Nervs erfolgen. Nur neurologische, neurophysiologische (Muskel und Nervenmessungen) und neurosonographische (Ultraschall) Untersuchungen mit Kontrollen alle vier Wochen können Aufschluss darüber geben, wie die Patienten optimal behandelt werden können. Einteilung der Nervenverletzungen  Die Nervenverletzungen werden in Offene  und Geschlossene eingeteilt. Bei offenen Verletzungen (z.B. bei Schnittwunden) muss der durchtrennte Nerv entweder sofort oder nach drei Wochen (Sekundärversorgung) rekonstruiert werden. Die Entscheidung trifft der Chirurg, abhängig vom intraoperativen Befund. Bei geschlossenen Verletzungen (z.B. Oberarmbruch mit Verletzung des  Speichennervs) sollte die erste neurologische, neurophysiologische und neurosonographische Untersuchung drei Wochen nach dem Trauma erfolgen. Der …

Training und Arbeit

Das Tolle ist, dass ich nun selbst aktiv arbeiten muss: Ich habe zu Hause einen Pezziball im Wohnzimmer, den nutze ich für Übungen zur Rumpfstabilität und Gleichgewicht. Darauf mache ich auch isometrische Übungen für Arme, Brust und Schulter. In der KGG (Krankengymnastik an Geräten) lerne ich Aufgaben mit Seilzug und Gewichten kennen. Sehr viel Spaß macht mir das Training mit dem 4D-Trainer: In verschiedenen Positionen stehend oder liegend, in Schlingen mit Händen, Armen oder Rumpf gelagert, gegen Widerstand des eigenen Gewichts oder des Materials. Ich profitiere in der KGG von der Kreativität und der riesigen Erfahrung meiner Sporttherapeutin und es ist nicht so, wie die Krankenkasse glaubt: Dass ich hier Übungen einstudieren und danach selbständig trainieren kann. Es gibt so viele Aufgaben, für die ich die individuelle Kontrolle dringend benötige, weil ich durch meine Schädigung nicht die Möglichkeit habe, die richtige Ausführung zu spüren, obwohl ich eine großartige „Spürerin“ bin. Deshalb ist es nicht richtig, dass die Krankenkasse die Anzahl von KGG-Einheiten deckelt und ich vermutlich einen sehr großen Anteil privat finanzieren muss. Aber das …

Die Mühen der Ebene

Nein, es ist noch nicht Zeit für das Happy End! Wer (wie ich) denkt, mit dem stabilen Handgelenk sei ein nie endender Glückszustand erreicht, täuscht sich, leider. Spektakulär, freudig, glücklich – der Zustand, den ich im Herbst erlebt habe, hat sich überlebt. Ein stabiles Handgelenk ist noch weit entfernt von einer funktionierenden Hand. Nein, die Arbeit scheint erst jetzt zu beginnen. Doch das stimmt nicht, denn ich habe ja in den vergangenen Monaten schon einen weiten Weg zurückgelegt. Immer wieder verändert sich die Perspektive und pendelt sich auf einen neuen Fokus ein. Es ist etwas erreicht und sofort eröffnet sich wieder ein riesiges neues Arbeitsfeld. Und jetzt gibt es nicht die „ersten Male“, das „Schau mal, was ich kann!“. Es geht ganz schlicht um Training und Arbeit. So, jetzt geht es los mit dem Erarbeiten von Kraft, Ausdauer, Feinmotorik und der Erweiterung meiner Schulterbeweglichkeit. Außerdem habe ich sehr viel zu tun mit dem Abbau von Schonhaltungen und dem Wiedererwerb einer guten Grundhaltung.

Im September machte ich vier Ärzte (und mich) glücklich

Mein Handgelenk war stabil! Dabei kann ich nicht einmal sagen, wann „es“ passiert ist. Man sieht sich ja auch nicht beim Haare wachsen zu. Irgendwann ging es eben. Dann gab es viele „erste Male“: Mit zwei Besteckteilen essen, mit zwei Händen Haare waschen, mit zwei Händen Gesicht eincremen, rechts die Tasse greifen, … In der KGG habe ich Nordic Walking gelernt und konnte mit beiden Stöcken umgehen. Ende September wurden die Platte und die Schrauben operativ entfernt. Danach hatte ich wieder mit dem langen Schnitt und der Narbe zu tun.

Bewegungssommer

Im August fuhren wir zwei Wochen nach Italien, es war ein sehr intensiver Bewegungsurlaub in Ligurien und den okzitanischen Tälern des Westalpenbogens. Es war steil, es war steinig, staubig, felsig, heiß. Pure Unwegsamkeit. Für mich eine riesige Herausforderung, aber das Beste und Tollste überhaupt. Nach zwei Wochen habe ich es geschafft, mit zwei Wanderstöcken einigermaßen symmetrisch zu gehen. Das war ein riesiger Erfolg! Zudem hatte ich eine Woche lang die Gelegenheit, in einem wunderbaren Naturbecken (kaltes Wasser!) Aquajogging zu machen. Schwimmend ging ich noch eher unter.

Meine tolle Spracherkennungssoftware!

Als ich spürte, dass all meine Zeitrechnungen für die Dauer meiner Einschränkungen nicht funktionierten, und ich mich besser für eine längere Zeit einrichten sollte, recherchierte ich nach Spracherkennungssoftware. Ich kaufte im Juli „Dragon Professional individual Version 15“ von Nuance. Ich bin sehr froh über diese Investition, auch wenn ich heute, im Dezember, einen Stift in der rechten Hand halten kann und meinen Einkaufszettel schreiben kann, habe ich doch nicht genug Kraft und Fingerfertigkeit für den erweiterten Einsatz, weder auf Papier noch auf der Tastatur. Auch Glückwunschkarten schreibt noch mein Mann. Die ganzen Texte dieses Blogs wären ohne Dragon nicht möglich gewesen, ich habe alles diktiert. Ich redigiere und organisiere von Hand, das wäre alles auch per Sprachbefehl möglich, da Dragon ohne große Einarbeitung wirklich intuitiv funktioniert. Aber ich freue mich ja darüber, beide Hände wieder einsetzen zu können. Gut kann ich mir vorstellen, Dragon wirklich weiter zu benutzen, vor allem bei längeren Texten. Man muss sich anders anpassen, die Abläufe des Verfassens und Redigierens sind bei mir unterschiedlich, wenn ich diktiere oder selbst tippe.

Nach der OP: Therapie, Training und kleine „Zuckerle“

Jede Woche arbeite ich meine Therapie-und Arzttermine ab, manchmal sind es bis zu zehn Einheiten. Ich profitiere dabei sehr, bekomme ich doch individuelle Unterstützung auf allen Ebenen. Mittlerweile habe ich wöchentlich drei Termine Physiotherapie (manuelle Therapie, KG, Elektrotherapie), drei Termine Ergotherapie (Bobath, Spiegel-Therapie, Handtherapie), zwei Termine Krankengymnastik an Geräten (KGG), ein Termin Myoreflextherapie, und in größeren Abständen Osteopathie. Nach dem Abheilen meiner zwei neuen Narben kann ich auch wieder ins Wasser, am liebsten ins Thermalbad. Im warmen Wasser ist jede Bewegung einfacher, ich kann meine Schulter-und Armbeweglichkeit gut trainieren. Ins Wasser nehme ich auch immer mein Bella Bambi zur Narbenpflege mit. Im Thermalbad habe ich einen Aquajogging-Gürtel ausgeliehen. Vor einigen Jahren habe ich dieses intensive, aber sanfte Ganzkörpertraining gelernt, jetzt kann ich die Bewegung wieder nutzen. Ich habe mir einen eigenen Aquajogging-Gürtel gekauft und bin von meinem Modell sehr begeistert, das Material ist sehr dünn, der Auftrieb genau richtig und der Gürtel passt in die Badetasche. Es wurde Sommer und ich konnte ins Freibad gehen. Das war eine große Freude, es war eine einfache Möglichkeit, …

Weitergehen, nach vorne schauen, auf das Gute hoffen

Durch dieses große Glück und das Erleben mentaler Stärke veränderte sich meine Einstellung. Mittlerweile hatte ich in meiner Nähe eine Handtherapeutin gefunden. Die Schiene trug ich nur noch selten, viel lieber hatte ich meinen fantastischen Tapeverband. Termine bei einer tollen Osteopathin habe ich auch bekommen. Ich widmete mich ganz stark meinen Aufgaben aus der Therapie. Weil ich nun mobiler geworden war, spürte ich deutlich eine Veränderung in der Bewegung: Ich war unsicherer geworden, wackeliger, ich fühlte mich sehr schief, ich hatte Schwierigkeiten in der Balance und am ganzen Körper Muskelmasse verloren. Ich war sehr viel zu Fuß unterwegs, aber auf meinen gewohnten Sport und meine Alltagsbewegung hatte ich ja monatelang verzichten müssen. Da erfuhr ich, wieder im Gespräch mit den Therapeuten, dass es „Krankengymnastik an Geräten (KGG)“ auf Rezept gibt. Das war fantastisch. Seit Juli, zunächst zweimal wöchentlich, kann ich wieder mit Spaß und mit meinen Möglichkeiten und individuellen Zielen trainieren und gelange, ganz langsam, wieder zu stabileren Bewegungsabläufen. Aber, ich schreibe dies im November, es ist ein sehr langer Weg.

Jeder Schritt bewegt sich auf die Heilung zu

Einige 1000 Schritte durch die Bretagne später (war das schön!), checkte ich direkt in Günzburg ein. Alle Vorbereitungen dort gingen in Richtung Nerventransplantation. Das heißt, weil mein Nervus radialis keinerlei Anzeichen von Regeneration gezeigt hatte und die neurologischen Verlaufsmessungen insgesamt eine schlechte Prognose vermuten ließen, ging man davon aus, dass er an einer Stelle eventuell durchbrochen war oder es zu einer größeren Gewebeschädigung gekommen war. Nerventransplantation bedeutet (sehr vereinfacht), man verbindet die durchtrennten Nervenenden mit körpereigenem Nervenmaterial, das aus dem Unterschenkel entnommen wird (man hat zwei OP-Gebiete). Der wiederhergestellte durchgängige Nerv bildet eine „Rinne“ für den nachwachsenden Nerv. Ein Nerv wächst durchschnittlich 1 mm pro Tag. Für die Transplantations-OPs gibt es keine Garantie. Ob die OP gelungen ist, weiß man erst nach vollendetem Wachstum. In meinem Fall hätte das ungefähr zwei Jahre gedauert. Ein Gefühl wie bei Kafka. Am OP-Tag waren Professor Antoniadis und Dr. Brand morgens bei mir: „Nach der OP sprechen wir darüber, was wir gemacht haben“. Noch nie war ich in einer derart offenen Situation, wie im freien Fall. Mental eine sehr …