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Wie geht’s im Alltag? – Bestandsaufnahme im Frühjahr 2019

Das werde ich ja oft gefragt. Im Allgemeinen: gut! Ich kann alles machen: Nach sieben Monaten im Rekonvaleszenzmodell bin ich jetzt wieder ganz im Arbeitsprozess drin. Die aufbauenden Schritte haben mich immer wieder Mut gekostet, ich habe immer wieder die belastende Diskussion „Schaffe ich das?“ mit mir geführt. Es hat geklappt und ich bin sehr stolz darauf, diese Monate ohne Einschränkungen gut hinbekommen zu haben. Einschränkungen in der Bewegung gibt es, aber man sieht sie nicht. Ich versuche, mich beim Tragen schwerer Sachen und schwererer Arbeit, z.B. im Garten, heraus zu halten – und hoffe, dass ich da bald wieder mittun kann. Hier fehlen mir noch Kraft und Koordination und ich bin in Gefahr, mir durch verkehrte Bewegungen Schmerzen einzuhandeln. Endlich macht mir Fahrrad fahren wieder Spaß! Ich war in Sorge, denn ich bin mein Leben lang auf dem Fahrrad gesessen – dass das wegen Nackenschmerzen nicht mehr möglich sein könnte. Aber es liegt wirklich am Aufbau der Stützmuskulatur einerseits, aber auch an der feinen Koordination vieler Gleichzeitigkeiten, die ich jetzt wieder leisten kann. Bis …

Über die Haltung zur eigenen Heilung: Agentin der eigenen Gesundheit

Vor vielen Monaten – Unfall und Nervenverletzung liegen beinahe zwei Jahre zurück – bat mich Dr. Mosetter, der Begründer der Myoreflextherapie, um einen Beitrag über meine Haltung zur eigenen Heilung. Nun kann ich darüber sprechen. Meine Heilung ist weit fortgeschritten. Die Innervierung meines verletzten Nervs ist noch in Bewegung. Meine Schulter ist deutlich zentrierter im Schultergelenk, spürbar bei allen Bewegungen. Meine Schulterblätter arbeiten symmetrischer. Es darf gerne noch weitergehen. Doch fühlen sich Bewegungen „normaler“ und alltagstauglicher an. Ich verstehe auf allen Ebenen, was ich hinter mir habe. Das war ein existentiell bedrohliches Ereignis. Schock, Schmerz, Angst, Schlaflosigkeit. Aus dem Leben katapultiert sein. Die eigene Aktivität auf ein Minimum reduziert. Auf Hilfe angewiesen. Sorge um die Zukunft. Leben ohne Beruf. Das Gefühl des eigenen Verschwindens war immer wieder sehr stark. Wer bin ich noch, wenn ich nichts mehr bewegen kann? In meiner beruflichen Tätigkeit als Lehrerin für Kinder und Jugendliche mit schwersten Mehrfachbehinderungen stand der Begriff der „Selbstwirksamkeit“ an zentraler Stelle. Plötzlich musste ich nach meiner eigenen Selbstwirksamkeit fragen. Gott sei Dank, es ist nicht so …

Mein Glücksprogramm

Über die verschiedenen Therapieansätze habe ich euch jetzt viel erzählt. Doch kommen die wertvollen Therapien nicht in ihrer ganzen Wirkung an, wenn Körper, Geist und Seele miteinander kämpfen. Nur: Dieser Zwist lässt sich überhaupt nicht vermeiden. Warum dauert es so lange? – Wann wird es besser? – Werde ich diese Schmerzen, Verspannungen, Ungeschicklichkeiten dauerhaft haben? – Warum bin ich schon wieder so müde? – Bekomme ich irgendwann wieder mehr Aktivitäten und Komplexität in einem Tag unter? – Sehen die anderen, wie schwer es oft ist? – Welche Rückmeldungen bekomme ich? – Möchte ich überhaupt auf meine Verletzung angesprochen werden und wenn ja, wie? – Fühle ich mich darauf reduziert? – Diese Fragen und 1000 andere käue ich immer wieder, geht es euch auch so? Es wäre ein Wunder, würde man sich diese Fragen nicht stellen. Denn so groß ist der Wunsch, wieder zur Normalität zu gelangen. Und so weit der Weg. Zu den Kämpfen, die ich mit mir selbst ausfechte, kommen die Widrigkeiten, die sich beruflich aus der langen Krankheitszeit ergeben. Wie positioniert sich mein …

Meine tolle Spracherkennungssoftware!

Als ich spürte, dass all meine Zeitrechnungen für die Dauer meiner Einschränkungen nicht funktionierten, und ich mich besser für eine längere Zeit einrichten sollte, recherchierte ich nach Spracherkennungssoftware. Ich kaufte im Juli „Dragon Professional individual Version 15“ von Nuance. Ich bin sehr froh über diese Investition, auch wenn ich heute, im Dezember, einen Stift in der rechten Hand halten kann und meinen Einkaufszettel schreiben kann, habe ich doch nicht genug Kraft und Fingerfertigkeit für den erweiterten Einsatz, weder auf Papier noch auf der Tastatur. Auch Glückwunschkarten schreibt noch mein Mann. Die ganzen Texte dieses Blogs wären ohne Dragon nicht möglich gewesen, ich habe alles diktiert. Ich redigiere und organisiere von Hand, das wäre alles auch per Sprachbefehl möglich, da Dragon ohne große Einarbeitung wirklich intuitiv funktioniert. Aber ich freue mich ja darüber, beide Hände wieder einsetzen zu können. Gut kann ich mir vorstellen, Dragon wirklich weiter zu benutzen, vor allem bei längeren Texten. Man muss sich anders anpassen, die Abläufe des Verfassens und Redigierens sind bei mir unterschiedlich, wenn ich diktiere oder selbst tippe.

Schmerz und Trauer

Besser mit dem Schmerz und der Trauer bin ich zurechtgekommen, nachdem ich eine Neudefinition vorgenommen habe: Meine Arbeit ist es nun, zurechtzukommen. Dazu gehören das Verarbeiten von Schmerz und Trauer, aber auch die Recherche, die Kontakte zu Ärzten und Therapeuten und die Therapien selbst. Zu dieser Kopf-Entscheidung kam ich zum Glück relativ früh. Schmerz und Trauer brauchen Raum. In den ersten Monaten zeichnete sich eine Art Rhythmus ab: Ein paar Wochen ging alles einigermaßen gut, ich arbeitete meine Termine ab. Das Leben fühlte sich o.k. an. Dann kam, wie aus heiterem Himmel, ein Tag, an dem alles über mir zusammenbrach, der sich anfühlte wie brüchiges Eis, der mir alle Sicherheiten raubte.

Handschrift und Arbeiten am Schreibtisch

Eine Lehrerin ohne Handschrift ist eine ziemliche Katastrophe. In der rechten Hand konnte ich die ganzen Monate weder einen Stift halten, noch bekam ich beim Paketboten eine Unterschrift hin. Mit Unterstützung des linken Zeigefingers schaffte ich es, einen dicken Bleistift zu halten und einen kleinen Einkaufszettel zu schreiben. Das war es aber auch schon. Schrift ist Kulturtechnik Ab und zu versuchte ich handschriftlich zu üben, das endete aber nur in Tränen. Nicht umsonst ist Schrift eine „Kulturtechnik“ – sie gehört zum Menschsein und ohne Schrift spürt man den Verlust sehr stark. Auf der Tastatur bekam ich mit den Fingern der linken Hand keine Großschreibung hin und ich kam einfach nicht voran. Zudem war es bis Juli nicht möglich, am Schreibtisch zu sitzen, weil mein Oberkörper so verdreht war. So gab es von mir monatelang keine schriftsprachlichen Erzeugnisse, außer WhatsApp Nachrichten und Mails von der Touch-Oberfläche meines Tablets.

Leben ohne Arbeit

Ich bin mit meinem Beruf sehr eng verbunden und habe immer gearbeitet. Meine Arbeit gibt mir Struktur, Rhythmus, Stabilität und Sinn. Ich habe meine Arbeit immer sehr mit meinem Leben verbunden. Mit dem Unfall und der Nervenverletzung bin ich aus meinem bisherigen Leben herausgefallen.

Ende April: Ausgehen

Wir waren mit Freunden im Restaurant eingeladen. Ich hatte in der Handtherapie-Praxis einen beeindruckenden Tapeverband bekommen. Es war wie Zauberei: ich hatte mich schon daran gewöhnt, dass ich es im Restaurant wenig länger als eine Stunde aushalten kann, ich konnte dann nicht mehr sitzen. Mit dem Tape blieb es 5 Stunden lang lustig.

Kurzurlaub ins Allgäu

Fünf Tage Tapetenwechsel, Abstand, Reisealltag ausprobieren. Zwei Monate nach dem Unfall fuhren mein Mann und ich ins Allgäu. Ich testete alles Mögliche, und vieles funktionierte, manches funktionierte nicht. Ich schaffte es, zwei Stunden bergauf zu wandern, in die Sauna und in die Therme zu gehen und mit Genuss im Restaurant zu sitzen. Die Schiene half mir dabei sehr. Es gelang eher, aus meiner nach innen gedrehten Schonhaltung herauszukommen und das Gewicht des Armes schien nicht so schwer.