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Jeder Schritt bewegt sich auf die Heilung zu

Einige 1000 Schritte durch die Bretagne später (war das schön!), checkte ich direkt in Günzburg ein. Alle Vorbereitungen dort gingen in Richtung Nerventransplantation. Das heißt, weil mein Nervus radialis keinerlei Anzeichen von Regeneration gezeigt hatte und die neurologischen Verlaufsmessungen insgesamt eine schlechte Prognose vermuten ließen, ging man davon aus, dass er an einer Stelle eventuell durchbrochen war oder es zu einer größeren Gewebeschädigung gekommen war. Nerventransplantation bedeutet (sehr vereinfacht), man verbindet die durchtrennten Nervenenden mit körpereigenem Nervenmaterial, das aus dem Unterschenkel entnommen wird (man hat zwei OP-Gebiete). Der wiederhergestellte durchgängige Nerv bildet eine „Rinne“ für den nachwachsenden Nerv. Ein Nerv wächst durchschnittlich 1 mm pro Tag. Für die Transplantations-OPs gibt es keine Garantie. Ob die OP gelungen ist, weiß man erst nach vollendetem Wachstum. In meinem Fall hätte das ungefähr zwei Jahre gedauert. Ein Gefühl wie bei Kafka. Am OP-Tag waren Professor Antoniadis und Dr. Brand morgens bei mir: „Nach der OP sprechen wir darüber, was wir gemacht haben“. Noch nie war ich in einer derart offenen Situation, wie im freien Fall. Mental eine sehr …

Die Zeit verstrich, die Schulter heilte, die Hand blieb. Alltag, Trauer und Hoffnung

In den vier Monaten nach dem Unfall war ich viermal beim Neurologen, jedes Mal mit niederschmetternden Ergebnis. Der Nervus Radialis konnte nicht aufgespürt werden, er zeigte keine Aktivität. Deshalb konnte auch in den vom Nervus radialis innervierten Muskeln keine Aktivität gemessen werden. Zehn Wochen nach dem Unfall kam die Vermutung einer größeren axonalen Schädigung auf. Anstatt des Hauchs einer Besserung verschlechterte sich die Diagnose drastisch. Diese Termine waren sehr schwer. Sie dauerten nicht lange, hatten aber jeweils eine große Wirkung auf mich. Der erste geplante neurochirurgische OP-Termin im Mai wurde verschoben, gepaart mit meiner Hoffnung, um diese OP herumzukommen. Wir sind in die Bretagne gefahren. Bilder von einem wilden Meer zogen mich an. Kein Meer, in das ich springen möchte, ich kann es ja nicht. Keine Berge, auf die ich steigen möchte, ich wäre unglücklich, weil ich es nicht schaffe. Aber es gibt einen wunderschönen Küstenwanderweg. Unterwegs, in Chartres, erhielt ich eine E-Mail von Professor Antoniadis: Er empfahl mir dringend die neurochirurgische Operation am 20. Juni. Was bei der Operation gemacht wird, weiß noch niemand. …

Beim Neurologen

In den vier Monaten nach dem Unfall war ich viermal beim Neurologen, jedes Mal mit niederschmetternden Ergebnis. Der Nervus radialis konnte nicht aufgespürt werden, er zeigte keine Aktivität. Deshalb konnte auch in den vom Nervus radialis innervierten Muskeln keine Aktivität gemessen werden. Zunächst war man von einer Störung ausgegangen die ein paar Tage anhalten würde. Dann wurde eine Neurapraxie diagnostiziert, eine Nervenverletzung, die sich in kürzerer Zeit selbst regulieren würde. Zehn Wochen nach dem Unfall kam die Vermutung einer größeren axonalen Schädigung auf. Anstatt des Hauchs einer Besserung verschlechterte sich die Diagnose drastisch. Diese Termine waren sehr schwer. Sie dauerten nicht lange, hatten aber jeweils eine große Wirkung auf mich.

Anfang Mai: Beim Neurologen

Mein Schulter-Chirurg vermittelte mir von Anfang an Termine bei einem Neurologen mit dem Ziel, das Ausmaß der Nervenverletzung darzustellen. Ich war dort direkt nach der Entlassung aus dem Krankenhaus, und dann im Abstand von jeweils einem Monat, zur Messung der Leitungsgeschwindigkeit der Nerven und zum EMG (Elektromyogramm). EMG: Es handelt sich um eine Methode in der neurologischen Diagnostik, bei der die elektrische Muskelaktivität gemessen wird. Mit der Methode kann festgestellt werden, ob eine Erkrankung des Muskels bzw. eine Reizleitungsstörung des versorgenden Nerven vorliegt. Es wurde jeweils  ein Nadel-EMG durchgeführt. Bei dieser Methode werden kleine Nadeln, die als Elektroden fungieren, direkt in den Muskel gestochen. So ist eine wesentlich genauere Erfassung der Aktivität einzelner Muskelfasern möglich. Hierzu werden Signalverstärker eingesetzt. Computer können diese Spannungsunterschiede auch in akustische Signale umwandeln, welche dann beispielsweise als Rauschen wahrgenommen werden können.

Anfang April: Start mit Ergotherapie

Zu dem Zeitpunkt war es nach neurologischer Untersuchung klar, dass ich neben dem Knochenbruch unter einer Nervenverletzung litt. Ich hatte nach wie vor die Fallhand und eine extreme Schwäche im Unterarm. Völlig unklar war der Grund. Ist es beim Unfall passiert, hat der Nerv bei der OP eine Verletzung davon getragen, ist er gar durchgeschnitten worden? Das war nicht zu überprüfen. Einen Nerv kann man mithilfe eines MRT darstellen, das heißt, man kann den Verlauf verfolgen und eventuelle Verletzungen erkennen. Mit Metall im Körper kann kein MRT erstellt werden, es würde zu Magnetfeldern kommen und es würde Gefahr der Verbrennung bestehen. Zwei wöchentliche Termine Ergotherapie kamen dazu. Hier ging es auf Basis des Bobath-Konzepts um die Erweiterung meiner Schulterbeweglichkeit, um Sensibilitätstraining, und um das Einüben von Bewegungen, die die Regeneration meines Nervs unterstützen sollten.

Vorstellung bei Professor Antoniadis in der Ambulanz der „Sektion periphere Nervenchirurgie“ im BKH Günzburg

Natürlich war ich durch die Schulter- und Nervenverletzung bei allen Tätigkeiten extrem eingeschränkt und brauchte sehr viel Hilfe. Das fühlte sich auf Dauer nicht besonders gut an. Anfang April, ich war bereits sechs Wochen krankgeschrieben, empfing mich der Professor auf Vermittlung meines Operateurs zum Gespräch und zur klinischen Diagnostik. Ab diesem Zeitpunkt drehte sich die Diagnose: Im Vordergrund stand nun eine periphere Nervenverletzung, man nahm an, dass sie in Verbindung mit einer Komplikation während der Schulteroperation stand. Man nennt das eine „iatrogene“ Verletzung. Professor Antoniadis beschrieb das weitere Vorgehen: In den Leitlinien zur Versorgung peripherer Nervenverletzungen wird festgelegt, dass bei ausbleibender Regeneration anhand einer operativen Exploration des Nervus radialis innerhalb von 3-6 Monaten nach dem Trauma, jedoch so früh wie möglich, das weitere Therapiekonzept festgelegt werden sollte. So sollte es bei mir auch durchgeführt werden. Ich erhielt einen Termin zur Wiedervorstellung und bereits einen möglichen Termin zur neurochirurgischen Operation. Zusätzlich verschrieb er mir ein Gerät zur Elektrostimulation der „lahmgelegten“ Muskulatur des Unterarms  , das ich zweimal täglich anlegen sollte, um dem Muskelabbau entgegenzuwirken. Die Kommunikation …

05.04.2017 Erster Termin in Günzburg bei Professor Antoniadis, dem „Nervenpapst“

Mit meinen großen Problemen stellte ich mich nach neuer Vermittlung durch meinen Operateur Anfang April in der Ambulanz der „Sektion periphere Nervenchirurgie“ bei Professor Antoniadis im MKH Günzburg vor. Seit über vierzig Jahren werden in der Neurochirurgie Günzburg Eingriffe an peripheren Nerven durchgeführt. Auf Grund der hohen Expertise gilt die Klinik als Referenzzentrum für das ganze Bundesgebiet. Mit über 500 Eingriffen an peripheren Nerven jährlich ist die Klinik eine der größten unter allen universitären und kommunalen Häusern in Deutschland. Durch die Gründung der Sektion werden Patienten mit Kompressionssyndromen, traumatischen Nerven- und Plexus brachialis Läsionen als auch Nerventumoren effektiver diagnostiziert und behandelt. In seinem sehr kleinen netten Büro, keinerlei Apparate, ein Schreibtisch, zwei Stühle, Regale, eine Liege, empfing mich der Professor zum Gespräch und zur klinischen Diagnostik. Die Fahrt nach Günzburg lohnte sich. Ich fühlte mich in der ambulanten Sprechstunde sehr gut aufgehoben. Ich erhielt ein Ergotherapie-Rezept und eine Verordnung über ein Gerät zur Elektrostimulation meiner „lahmgelegten“Unterarm-Muskulatur.

Nach der OP beginnen die Therapien

Da ich als Lehrerin für Kinder mit Körperbehinderungen mit Therapeutinnen zusammenarbeitete, bringe ich gute Voraussetzungen mit, wenn es darum geht, meine eigenen Belange zu erkennen. Natürlich begann die Physiotherapie sofort nach der Operation noch im Krankenhaus, ich führte sie mit drei wöchentlichen einstündigen Terminen weiter. Dazu kam ein wöchentlicher Termin Myoreflextherapie Myoreflextherapie und ein paar Wochen später begann ich mit Ergotherapie zweimal pro Woche. Hier ging es auf Basis des Bobath-Konzepts um die Erweiterung meiner Schulterbeweglichkeit, um Sensibilitätstraining, und um das Einüben von Bewegungen, die die Regeneration meines Nervs unterstützen sollten. Anfang April war es nach neurologischer Untersuchung klar, dass ich neben dem Knochenbruch unter einer Nervenläsion litt. Ich hatte nach wie vor die Fallhand und eine extreme Schwäche im Unterarm. Der Nervus radialis, der mit zwei weiteren Armnerven die Muskulatur des Armes innerviert, arbeitete nicht. Es kümmerten sich drei Ärzte um mich: Mein Operateur, der mich durch diese schweren Etappen mit durch trug und mir wichtige Termine bei großartigen Ärzten vermittelte, zum Beispiel beim Neurologen. Meine homöopathische Hausärztin, mit deren Hilfe ich die starken Nervenschmerzen …

03.03.2017 Wieder zu Hause

Am Samstag ist der Unfall passiert, am Montag bin ich ins Krankenhaus gegangen und operiert worden, am Freitag war ich nach der Krankenhausentlassung zum ersten Mal beim Neurologen und durfte dann nach Hause. Ich hatte im Krankenhaus furchtbar schlecht geschlafen und freute mich so sehr auf mein Bett. Ich freute mich auf meine Familie und auf alle Abläufe zu Hause. Das Essen war im Krankenhaus total o. k. gewesen, aber natürlich wünschte ich mir sehr, wieder zu Hause zu essen. Alles Dinge, die Vertrautheit und Normalität ausstrahlen. Der Kopf sagt, es wird alles anders sein. Die Emotion und die Gewohnheit suggerieren, es wird alles sein wie immer. Ich bin nach Hause gekommen und habe den Schock des Andersseins erlebt. Alle kümmern sich, es fühlt sich wunderbar an, alle freuen sich, aber es ist nichts, wie es war. Die Nächte waren die reine Hölle. Ich konnte fast nichts alleine. Bei allem brauchte ich Unterstützung. Essen machte keinen Spaß wie sonst, ich konnte es ja nicht selbst kochen. Mit Besteck umgehen, am Tisch sitzen mit der Orthese …

1. März 2017 Mein Arm!

Am OP-Tag habe ich wohl fast nur geschlafen. Am Tag darauf war ich nur froh, alles überstanden zu haben. Dann habe ich gemerkt, dass ich meinen operierten Arm überhaupt nicht bewegen konnte. Das war ein riesiger Schreck! Der Skiurlaub, der Unfallschock, der Schmerz, das Krankenhaus und ein gelähmter Arm! Das war zu viel. Gefühlt habe ich den ganzen Tag geweint. Ich hatte großes Glück mit dem Krankenhaus, den Ärzten, den Pflegeteams und mit allen Mitarbeitenden. Mir wurde sehr viel Empathie entgegengebracht. Als mein Operateur zur Visite kam, ging er mit meinem Schreck sehr einfühlsam um. Zu dem Zeitpunkt ging man noch davon aus, dass die Armnerven nach der schweren Operation „gereizt“ seien und nach einigen Tagen Erholungszeit wieder arbeiten würden. Der Arm wird von drei Armnerven „versorgt“: Nervus radialis, Nervus ulnaris und Nervus medianus. Diese Nerven innervieren die zugehörige Muskulatur. Bei mir sah es nach kurzem Ausfall der gesamten Armfunktion nach einer Störung des N. radialis aus. Beim Ausfall des Nervus radialis werden die Muskeln, die für die Streckfunktion von Unterarm und Hand zuständig sind, …