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Mitte April: Alltag ausprobieren oder: Bloß kein Jogginghosen-Style!

Aber egal: Auch in eingeschränkten Zeiten muss es einen Alltag geben. Es ist wichtig, ganz normale Dinge zu tun und vor allem die, die man gerne macht, die man hin bekommt und die ein gutes Gefühl geben. In meinen Lieblingsgeschäften habe ich mit Hilfe von tollen empathischen Verkäuferinnen eingekauft. Weil ich Hilfe bekommen habe an Stellen, wo ich sie brauchte, aber nicht mit Mitleid überschüttet worden bin, fühlten sich diese Einkäufe extrem toll an. Ich habe vorsichtig begonnen, alleine unterwegs zu sein, zunächst spazierengehend. Als die Anfänge klappten,  habe ich meinen Radius erweitert. Ich muss dazu sagen, dass für mich Autofahren oder Fahrradfahren ja nicht möglich ist. Ich musste meine Logistik neu denken, zum Beispiel habe ich eine BahnCard gekauft. Die konnte ich auch gut gebrauchen, weil ich ab April zehn Termine in einer Handtherapie-Schwerpunktpraxis in Ulm wahrgenommen habe. Dahin brauchte ich mit der Bahn zwei Stunden pro Strecke. Dieser Weg hat sich gelohnt, einerseits natürlich aus therapeutischen Gründen, andererseits konnte ich wieder etwas für mich alleine organisieren. Ulm ist eine tolle Stadt und es …

April: Recherche Handtherapie

Nach 4 Wochen, kurz nach dem Termin in Günzburg, legte ich die Orthese ab. Wenn ein Körperteil über eine lange Zeit durch eine Orthese in einer bestimmten Lagerung geschützt wird, fühlt man sich nach dem Ablegen der Orthese frei, aber auch nackt und unsicher. Man möchte Normalität, weiß aber auch um die Beschädigung. Ich sollte den Arm nun selbst tragen und spürte ihn als regelloses schweres Anhängsel, unsteuerbar. Die Schulter permanent nach innen rotiert, der Arm seltsam gedreht, das wirkte sich auf meine komplette Bewegung aus. Ich hatte mich immer daran festgehalten, „dass ich ja laufen kann“. Aber so toll war das nicht. Meine Körperhaltung war sehr schief, sehr deutlich sah man es an meinem Ausschnitt, der mir fast über die Schulter rutschte. Dazu kamen Nerven- und Muskelschmerzen. Nicht schön. Dazu kam der Wunsch, da ich den Arm ja kaum kontrollieren konnte, nach Schutz und guter Lagerung. Ich wünschte mir eine individuell angepasste Orthese. Nur: Wer fertigt die an? Weil ich durch meinen Beruf weiß, wie wichtig in diesem Fall Fachkenntnis und Erfahrung sind, wollte …

Was ich alles nicht kann

ich kann nicht greifen ich kann nicht schreiben ich kann den Stift nicht halten. ich kann nicht schneiden – Messer und Schere ich kann nicht kochen ich kann nicht Fahrradfahren ich kann nicht Autofahren ich kann keine Knöpfe schließen ich kann keine Schuhe binden ich kann meine Wanderschuhe nicht anziehen ich kann nicht am Schreibtisch sitzen ich kann nicht am PC arbeiten – keine Tastatur ich kann nicht im Garten arbeiten ich kann mein Buch nicht halten ich kann mich nicht konzentrieren ich kann nur mit der linken Hand essen

08.03.2017 Mit der Zeit wird alles besser

Mit der Entscheidung, alleine zu schlafen, wurde es besser. Das kann ich als Rat an alle, die in einer ähnlichen Lage sind, weitergeben. Man kann Licht machen, man kann lesen, und vor allem im Bett liegen bleiben. Es ist gemütlicher und man fühlt sich weniger ausgeliefert. Zudem werden mit der Wundheilung die Schlafphasen etwas länger. Gegen die Nervenschmerzen wollte ich keinesfalls zu Psychopharmaka greifen. Ich bin sehr gut mithilfe meiner Ärztin mit homöopathischer Behandlung zurechtgekommen. Ich habe Hypericum in LM-Potenz genommen.

06.03.2017: Beginn der Therapie

Ich habe mit Physiotherapie, dreimal wöchentlich, und Myoreflextherapie, einmal wöchentlich, begonnen. Diese Termine trugen von Anfang an wichtige Funktionen: Sie ersetzten meine Arbeit; sie gaben mir Struktur; sie brachten mich mit Menschen zusammen, von denen ich mich verstanden fühlte; und natürlich arbeitet man in dieser Zeit intensiv an der Heilung. Ich war insgesamt sehr schwach und fühlte mich krank. Schwäche und Schmerzen zwangen mich dazu, im Moment zu leben. Es flossen viele Tränen. Hier war vor allem die Arbeit meiner Myoreflextherapeutinnen sehr wichtig: Vermeiden von Sekundärschmerzen, Herstellen einer relativen ganzkörperlichen Balance, durchaus auch auf psychischer Ebene mit vielen Gesprächen. Zum Glück konnte ich mich überall hin fahren lassen. Meine Hoffnung, schnell wieder in ein Alltagsleben einzusteigen mit Chor und Italienisch lernen, hat sich sehr schnell zerschlagen.

03.03.2017 Wieder zu Hause

Am Samstag ist der Unfall passiert, am Montag bin ich ins Krankenhaus gegangen und operiert worden, am Freitag war ich nach der Krankenhausentlassung zum ersten Mal beim Neurologen und durfte dann nach Hause. Ich hatte im Krankenhaus furchtbar schlecht geschlafen und freute mich so sehr auf mein Bett. Ich freute mich auf meine Familie und auf alle Abläufe zu Hause. Das Essen war im Krankenhaus total o. k. gewesen, aber natürlich wünschte ich mir sehr, wieder zu Hause zu essen. Alles Dinge, die Vertrautheit und Normalität ausstrahlen. Der Kopf sagt, es wird alles anders sein. Die Emotion und die Gewohnheit suggerieren, es wird alles sein wie immer. Ich bin nach Hause gekommen und habe den Schock des Andersseins erlebt. Alle kümmern sich, es fühlt sich wunderbar an, alle freuen sich, aber es ist nichts, wie es war. Die Nächte waren die reine Hölle. Ich konnte fast nichts alleine. Bei allem brauchte ich Unterstützung. Essen machte keinen Spaß wie sonst, ich konnte es ja nicht selbst kochen. Mit Besteck umgehen, am Tisch sitzen mit der Orthese …

Was hat mir noch geholfen?

Ich habe ganz stark den Kontakt „nach draußen“ gesucht, und habe meistens per Textnachricht kommuniziert. Ich wollte den Schreck meiner Freundinnen, meiner Kollegen und meiner Familie nicht so gerne am Telefon erleben, weil ich ja ganz besonders nah am Wasser war. Das galt auch für die späteren Wochen. Sehr schnell habe ich gemerkt, dass ich mit Mitleidsbezeugungen nicht so gut umgehen konnte. Ich möchte viel lieber über meinen Zustand innerhalb einer Normalität und nicht im Mitleidsmodus sprechen. Stark gemacht hat mich auch die Unterstützung und Empathie meines Operateurs, der mich in den ersten Tagen und die gesamten nachfolgenden Wochen und Monate begleitet und mich vor allem zu jeder Zeit ernst genommen hat. Das ist für mich immer noch sehr zentral. Und natürlich mein Mann. Der Allerwichtigste. Ich habe schon im Krankenhaus begonnen, über Therapien nachzudenken und Termine zu planen. Aktiv sein, den Kopf oben halten und weiter gehen.

1. März 2017 Mein Arm!

Am OP-Tag habe ich wohl fast nur geschlafen. Am Tag darauf war ich nur froh, alles überstanden zu haben. Dann habe ich gemerkt, dass ich meinen operierten Arm überhaupt nicht bewegen konnte. Das war ein riesiger Schreck! Der Skiurlaub, der Unfallschock, der Schmerz, das Krankenhaus und ein gelähmter Arm! Das war zu viel. Gefühlt habe ich den ganzen Tag geweint. Ich hatte großes Glück mit dem Krankenhaus, den Ärzten, den Pflegeteams und mit allen Mitarbeitenden. Mir wurde sehr viel Empathie entgegengebracht. Als mein Operateur zur Visite kam, ging er mit meinem Schreck sehr einfühlsam um. Zu dem Zeitpunkt ging man noch davon aus, dass die Armnerven nach der schweren Operation „gereizt“ seien und nach einigen Tagen Erholungszeit wieder arbeiten würden. Der Arm wird von drei Armnerven „versorgt“: Nervus radialis, Nervus ulnaris und Nervus medianus. Diese Nerven innervieren die zugehörige Muskulatur. Bei mir sah es nach kurzem Ausfall der gesamten Armfunktion nach einer Störung des N. radialis aus. Beim Ausfall des Nervus radialis werden die Muskeln, die für die Streckfunktion von Unterarm und Hand zuständig sind, …

Lindsey Vonn

Der junge Assistentsarzt erzählte mir von Lindsey Vonn, die dieselbe Verletzung habe wie ich. Ich muss gestehen, das hatte auf mich schon eine gewisse Wirkung. Schließlich ist Lindsey Vonn Profisportlerin und auch verletzbar. Genauso wie ich. Man kann sich von solchen Vergleichen nichts kaufen, aber alles was irgendwie Trost gibt, ist in dem Moment gut. Es gibt ein Video, in dem Lindsey Vonn über ihren Unfall und die anschließende Rehabilitation berichtet. Dieses Video hat mich in diesen Tagen begleitet und mir immer wieder geholfen. Danke, Lindsey Vonn! http://www.t-online.de/sport/wintersport/ski-alpin/id_80052556/lindsey-vonn-verletzung-war-schwerer-als-bislang-bekannt.html

Die Operation: 27.Februar 2017

Nach zwei schmerzhaften Nächten zu Hause (bis dahin habe ich noch nie Novalgin genommen) konnte ich frühmorgens in die Klinik zur OP kommen. Ich hatte mir den Humeruskopf mehrfach gebrochen. Das ist der Kopf des Knochens, der mit dem Schlüsselbein und dem Schulterblatt das Schultergelenk bildet. Die Schwere des Bruchs entsprach der Kategorie vor dem Trümmerbruch. Es wurde eine Plattenosteosynthese gemacht. Das heißt, die Knochenstücke wurden zusammengefügt und mithilfe einer Titanplatte und ziemlich vielen Schrauben stabilisiert. Die OP war gut verlaufen, es war keine Sehne beteiligt, alles passte zusammen. Ziemlich schnell bekam ich diese Orthese, die fast jeder kennt: es ist eine Art Schrank, der vor den Bauch geschnallt wird, darin ist der Arm sicher gelagert. Aber: Von dem Moment an hat man dieses Ding Tag und Nacht 4 Wochen an…