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Training und Arbeit

Das Tolle ist, dass ich nun selbst aktiv arbeiten muss: Ich habe zu Hause einen Pezziball im Wohnzimmer, den nutze ich für Übungen zur Rumpfstabilität und Gleichgewicht. Darauf mache ich auch isometrische Übungen für Arme, Brust und Schulter.
In der KGG (Krankengymnastik an Geräten) lerne ich Aufgaben mit Seilzug und Gewichten kennen. Sehr viel Spaß macht mir das Training mit dem 4D-Trainer: In verschiedenen Positionen stehend oder liegend, in Schlingen mit Händen, Armen oder Rumpf gelagert, gegen Widerstand des eigenen Gewichts oder des Materials.
Ich profitiere in der KGG von der Kreativität und der riesigen Erfahrung meiner Sporttherapeutin und es ist nicht so, wie die Krankenkasse glaubt: Dass ich hier Übungen einstudieren und danach selbständig trainieren kann. Es gibt so viele Aufgaben, für die ich die individuelle Kontrolle dringend benötige, weil ich durch meine Schädigung nicht die Möglichkeit habe, die richtige Ausführung zu spüren, obwohl ich eine großartige „Spürerin“ bin. Deshalb ist es nicht richtig, dass die Krankenkasse die Anzahl von KGG-Einheiten deckelt und ich vermutlich einen sehr großen Anteil privat finanzieren muss. Aber das ist eine andere Geschichte.

Seit November gehe ich wieder ins Fitnessstudio unseres städtischen Sportvereins. Meinen Vertrag dort konnte ich über die langen Monate ruhen lassen. Jetzt habe ich mit einer erfahrenen Physiotherapeutin einen neuen Trainingsplan erarbeitet, und dabei meine besonderen Voraussetzungen obenan gestellt. Ich schaffe es nun wieder, die Geräte selbst mit zwei Händen einzustellen. Die Übungen, die wir ausgewählt haben, kann ich selbst kontrollieren. Es ist ein besonders kurzes Trainingsprogramm, es dauert 45 bis 60 Minuten. Ich trainiere meine Ausdauer auf dem Cross-Trainer, meine Beine und die Rumpfstabilität in drei Einheiten pro Woche.

Einmal pro Woche arbeite ich im Thermalbad an meiner Arm- und Schulterbeweglichkeit, an meinen Narben und an meiner Kondition (mit Aquajogging).

In der Ergotherapie erlebe ich die Komplexität der Hand- und Fingerbeweglichkeit. Wir bewegen unsere Hände und unsere Finger situativ angepasst und automatisch. Wir machen uns überhaupt keine Gedanken darüber, wie viele Bewegungen koordiniert werden müssen und wie viele Muskeln beteiligt sind. Das muss man ja auch erst, wenn dieser Automatismus durchbrochen ist, wie bei mir. Ich mache nun Hand- und Fingerübungen. Manchmal ist schon alleine die Vorstellung der Übung anstrengend, die Ausführung sowieso.

Die Mühen der Ebene

Nein, es ist noch nicht Zeit für das Happy End! Wer (wie ich) denkt, mit dem stabilen Handgelenk sei ein nie endender Glückszustand erreicht, täuscht sich, leider.

Spektakulär, freudig, glücklich – der Zustand, den ich im Herbst erlebt habe, hat sich überlebt. Ein stabiles Handgelenk ist noch weit entfernt von einer funktionierenden Hand.
Nein, die Arbeit scheint erst jetzt zu beginnen. Doch das stimmt nicht, denn ich habe ja in den vergangenen Monaten schon einen weiten Weg zurückgelegt. Immer wieder verändert sich die Perspektive und pendelt sich auf einen neuen Fokus ein. Es ist etwas erreicht und sofort eröffnet sich wieder ein riesiges neues Arbeitsfeld. Und jetzt gibt es nicht die „ersten Male“, das „Schau mal, was ich kann!“. Es geht ganz schlicht um Training und Arbeit.
So, jetzt geht es los mit dem Erarbeiten von Kraft, Ausdauer, Feinmotorik und der Erweiterung meiner Schulterbeweglichkeit. Außerdem habe ich sehr viel zu tun mit dem Abbau von Schonhaltungen und dem Wiedererwerb einer guten Grundhaltung.

Im September machte ich vier Ärzte (und mich) glücklich

Mein Handgelenk war stabil!

Dabei kann ich nicht einmal sagen, wann „es“ passiert ist. Man sieht sich ja auch nicht beim Haare wachsen zu. Irgendwann ging es eben. Dann gab es viele „erste Male“: Mit zwei Besteckteilen essen, mit zwei Händen Haare waschen, mit zwei Händen Gesicht eincremen, rechts die Tasse greifen, …

In der KGG habe ich Nordic Walking gelernt und konnte mit beiden Stöcken umgehen.

Ende September wurden die Platte und die Schrauben operativ entfernt. Danach hatte ich wieder mit dem langen Schnitt und der Narbe zu tun.

Bewegungssommer

Im August fuhren wir zwei Wochen nach Italien, es war ein sehr intensiver Bewegungsurlaub in Ligurien und den okzitanischen Tälern des Westalpenbogens. Es war steil, es war steinig, staubig, felsig, heiß. Pure Unwegsamkeit. Für mich eine riesige Herausforderung, aber das Beste und Tollste überhaupt. Nach zwei Wochen habe ich es geschafft, mit zwei Wanderstöcken einigermaßen symmetrisch zu gehen. Das war ein riesiger Erfolg! Zudem hatte ich eine Woche lang die Gelegenheit, in einem wunderbaren Naturbecken (kaltes Wasser!) Aquajogging zu machen. Schwimmend ging ich noch eher unter.

Meine tolle Spracherkennungssoftware!

Als ich spürte, dass all meine Zeitrechnungen für die Dauer meiner Einschränkungen nicht funktionierten, und ich mich besser für eine längere Zeit einrichten sollte, recherchierte ich nach Spracherkennungssoftware. Ich kaufte im Juli „Dragon Professional individual Version 15“ von Nuance.
Ich bin sehr froh über diese Investition, auch wenn ich heute, im Dezember, einen Stift in der rechten Hand halten kann und meinen Einkaufszettel schreiben kann, habe ich doch nicht genug Kraft und Fingerfertigkeit für den erweiterten Einsatz, weder auf Papier noch auf der Tastatur. Auch Glückwunschkarten schreibt noch mein Mann. Die ganzen Texte dieses Blogs wären ohne Dragon nicht möglich gewesen, ich habe alles diktiert. Ich redigiere und organisiere von Hand, das wäre alles auch per Sprachbefehl möglich, da Dragon ohne große Einarbeitung wirklich intuitiv funktioniert. Aber ich freue mich ja darüber, beide Hände wieder einsetzen zu können.
Gut kann ich mir vorstellen, Dragon wirklich weiter zu benutzen, vor allem bei längeren Texten. Man muss sich anders anpassen, die Abläufe des Verfassens und Redigierens sind bei mir unterschiedlich, wenn ich diktiere oder selbst tippe.

Nach der OP: Therapie, Training und kleine „Zuckerle“

Jede Woche arbeite ich meine Therapie-und Arzttermine ab, manchmal sind es bis zu zehn Einheiten. Ich profitiere dabei sehr, bekomme ich doch individuelle Unterstützung auf allen Ebenen. Mittlerweile habe ich wöchentlich drei Termine Physiotherapie (manuelle Therapie, KG, Elektrotherapie), drei Termine Ergotherapie (Bobath, Spiegel-Therapie, Handtherapie), zwei Termine Krankengymnastik an Geräten (KGG), ein Termin Myoreflextherapie, und in größeren Abständen Osteopathie.

Nach dem Abheilen meiner zwei neuen Narben kann ich auch wieder ins Wasser, am liebsten ins Thermalbad. Im warmen Wasser ist jede Bewegung einfacher, ich kann meine Schulter-und Armbeweglichkeit gut trainieren. Ins Wasser nehme ich auch immer mein Bella Bambi zur Narbenpflege mit. Im Thermalbad habe ich einen Aquajogging-Gürtel ausgeliehen. Vor einigen Jahren habe ich dieses intensive, aber sanfte Ganzkörpertraining gelernt, jetzt kann ich die Bewegung wieder nutzen. Ich habe mir einen eigenen Aquajogging-Gürtel gekauft und bin von meinem Modell sehr begeistert, das Material ist sehr dünn, der Auftrieb genau richtig und der Gürtel passt in die Badetasche.

Es wurde Sommer und ich konnte ins Freibad gehen. Das war eine große Freude, es war eine einfache Möglichkeit, Freunde und Bekannte zu treffen.
Kleine „Zuckerle“ sind immer wichtig, um bei Laune zu bleiben. Da kam eine Einladung nach Berlin zu Freunden gerade recht.

Weitergehen, nach vorne schauen, auf das Gute hoffen

Durch dieses große Glück und das Erleben mentaler Stärke veränderte sich meine Einstellung.

Mittlerweile hatte ich in meiner Nähe eine Handtherapeutin gefunden. Die Schiene trug ich nur noch selten, viel lieber hatte ich meinen fantastischen Tapeverband. Termine bei einer tollen Osteopathin habe ich auch bekommen. Ich widmete mich ganz stark meinen Aufgaben aus der Therapie.

Weil ich nun mobiler geworden war, spürte ich deutlich eine Veränderung in der Bewegung: Ich war unsicherer geworden, wackeliger, ich fühlte mich sehr schief, ich hatte Schwierigkeiten in der Balance und am ganzen Körper Muskelmasse verloren. Ich war sehr viel zu Fuß unterwegs, aber auf meinen gewohnten Sport und meine Alltagsbewegung hatte ich ja monatelang verzichten müssen. Da erfuhr ich, wieder im Gespräch mit den Therapeuten, dass es „Krankengymnastik an Geräten (KGG)“ auf Rezept gibt. Das war fantastisch. Seit Juli, zunächst zweimal wöchentlich, kann ich wieder mit Spaß und mit meinen Möglichkeiten und individuellen Zielen trainieren und gelange, ganz langsam, wieder zu stabileren Bewegungsabläufen. Aber, ich schreibe dies im November, es ist ein sehr langer Weg.

Jeder Schritt bewegt sich auf die Heilung zu

Einige 1000 Schritte durch die Bretagne später (war das schön!), checkte ich direkt in Günzburg ein. Alle Vorbereitungen dort gingen in Richtung Nerventransplantation. Das heißt, weil mein Nervus radialis keinerlei Anzeichen von Regeneration gezeigt hatte und die neurologischen Verlaufsmessungen insgesamt eine schlechte Prognose vermuten ließen, ging man davon aus, dass er an einer Stelle eventuell durchbrochen war oder es zu einer größeren Gewebeschädigung gekommen war. Nerventransplantation bedeutet (sehr vereinfacht), man verbindet die durchtrennten Nervenenden mit körpereigenem Nervenmaterial, das aus dem Unterschenkel entnommen wird (man hat zwei OP-Gebiete). Der wiederhergestellte durchgängige Nerv bildet eine „Rinne“ für den nachwachsenden Nerv. Ein Nerv wächst durchschnittlich 1 mm pro Tag. Für die Transplantations-OPs gibt es keine Garantie. Ob die OP gelungen ist, weiß man erst nach vollendetem Wachstum. In meinem Fall hätte das ungefähr zwei Jahre gedauert. Ein Gefühl wie bei Kafka.

Am OP-Tag waren Professor Antoniadis und Dr. Brand morgens bei mir: „Nach der OP sprechen wir darüber, was wir gemacht haben“.

Noch nie war ich in einer derart offenen Situation, wie im freien Fall. Mental eine sehr hohe Anforderung, aber ich habe es geschafft und bin darauf stolz.

Nach dem Aufwachen war mein Unterschenkel unversehrt. Neben dem Kinder- auf- die- Welt- bringen mein bisher größtes Glück. Der Nerv war ganz, ich hatte zwei Schnitte um die Achselhöhle.

Ich weiß, dass an diesem Tag viele Menschen mit ihren Gedanken bei mir waren. Danke!

Früh auf dem Meer

Der bretonische Küstenwanderweg bot genau die richtige Herausforderung. Das Meer war nicht wild, aber es gab mir jeden Tag das Bild von Größe und Unermesslichkeit.
Wir haben die Gelegenheit ergriffen, mit unserem Vermieter frühmorgens bei Dunkelheit zum Fischen zu gehen. Auf dem dunklen, wackeligen Meer, mit nur einer Hand, auf einem eher kleinen Motorboot, kalt. Mir wurde kein bisschen schlecht, ich hatte keinen Moment Angst.

Bald ist die OP!

In Chartres habe ich eine Mail von Professor Antoniadis erhalten: Die neurochirurgische Operation soll am 20. Juni sein. Das bedeutet, dass unser Urlaub zehn Tage lang ist (ich hatte auf eine längere Dauer gepokert), wir sonntags heimkommen, ich montags in die Klinik gehe und am Dienstag operiert werde.
Die Kathedrale von Chartres hatte eine tiefe Wirkung auf mich. Dieses Gebäude ist so alt, es ist ein komplettes Bauwerk der Hochgotik, es ist nie zerstört worden und vermittelt eine außergewöhnliche Atmosphäre.
Es war wunderschön in der Bretagne, herrlichstes Wetter, warm, und sehr lange Tage.